Text von Dr. Hubert Salden
Ein Bad für die Musen
Zur Kunst von Andreas Rohrbach
Die künstlerische Position von Andreas Rohrbach ist eine singuläre und herausragende in der zeitgenössischen
Kunst. Er hat es erreicht, daß das dem künstlerischen Schaffen entspringende Vergnügen als Wirkung einer dem
Menschen besonders gegebene Freiheit auf den Betrachter überspringt. Der Prozeß seiner Arbeit gründet in einem
bildnerischen Denken von radikaler Sinnlichkeit. Seine entschiedene ästhetische Haltung fernab von Vorgaben des
Mainstreams weiß sich von einer nachhaltigen körperlichen Erkenntnisarbeit getragen.
Der Schaffensprozeß dieses Künstlers und dessen Reflexionen legen die Naht offen und verdeutlichen die
Spannungen und konstruktiven Synergien zwischen Natur und Kultur, zwischen Zufall und Ordnung, Evolution und
Mutation. Die entstandenen Werke lassen sich auch als Brücken, Übergänge und Klippen zwischen solchen
verschiedenartigen Systemen auffassen. Sie vollziehen Verschiebungen, beispielsweise von elementaren biomorphen
und kristallographischen Formen zu denen der Biogenetik (Chromosomen-Porträt, Paradies-Gartenzaun, etc.). Die
Skulpturen, Reliefs, Bilder und Zeichnungen zeugen von Anfängen, geben den Betrachtern den Blick frei auf
Kreuzungspunkte und Drehmomente neuen oder erneuerten Lebens.
Die Werke von Andreas Rohrbach ergeben eine Partitur der Intimität. Ihr Takt und Feingefühl geht vom behauenen
Stein aus und führt zu ihm zurück. Die Kombinatorik der Sinneswahrnehmungen ist für die Betrachter als eine
dynamische und performative angelegt. In den künstlerischen Arbeiten verbinden sich die Ströme des Tastsinns,
Flüsse des Sehens, Bäche des Gehörs und Seen eines inneren Sensoriums zu einem variablen Zusammenfluß der
Sinnesqualitäten. Schönheit taucht auf unter den scheinbar ganz einfachen Gegenständen oder Körperpartien wie
Brüsten. Die Ankunft von Sprache wird intoniert, das Wissen tritt als ein gefährliches hervor. Zwischen den Zeilen
klaffen Furchen wie Ebenen der Erkenntnis. Die Schlange wird nicht nur zum Emblem einer fröhlichen Wissenschaft
sondern auch für einen friedvollen Blick jenseits ihrer Grenzen.
Die körperliche Wahrnehmung mit den Werken fächert sich durch ihr Wechselspiel mit den vier Elementen weiter auf.
Beispiele für solche Verdichtungen bilden seine Wärmeskulpturen (Feuer), Schalen, Wannen, Eisecken (Wasser),
Stücke von Himmel (Wind) und Steinhaufen, die aus einem Block geschlagen sind (Erde). Die anorganische Welt
findet in der organischen Welt ihre Fortsetzung. Da verdeutlichen Zellformen und Kartoffelbilder ursprüngliche
Energiespeicher für sprossendes Wachstum. In seinen Arbeiten verknüpft Andreas Rohrbach das Stabile mit dem
Wandelbaren, die Einheit mit der Vielfalt, die Referenz mit der Variation.
Der Kontrast von Material und Darstellung ist kennzeichnend für das Vorgehen dieses Bildhauers. Beispielsweise in
einer Serie von Computerzeichnungen und ebenso in einer Glas-Installation sind kristalline Strukturen in einen
Wachstumsprozeß gebracht worden. Andererseits zeigen Werke, die aus hartem Stein, Basalt oder Marmor, geklopft
worden sind, weiche und organische Formen, beispielsweise Blasen, Fell, den Teil einer Wiese oder auch ein Stück
Himmel. Aus den immer wieder unterschiedlichen Sichtachsen der künstlerischen Arbeiten zueinander, ihren Nah-
und Fern-verhältnissen, deren Übergänge zwischen Vorder-, Mittel- und Hintergrund, entsteht Bewegung für die
Vorstellung der Betrachter, auch eine Carte du Tendre, eine Liebesgeografie des Tastsinns.
Text von Dr.Hubert Salden